Abiturjahrgang Musik erlebt Disney-Musical Tarzan
Ein farbenfrohes Feuerwerk voll rhythmischer Exotik
Es blitzt und donnert gewaltig im Palladium Theater. Ein tosendendes Gewitter lässt das Segelschiff mit Tarzans Familie an Bord kentern. Nachdem die Zuschauer – den Subwoofern sei Dank – mit aufschäumender Wucht in die dramatische Handlung geworfen wurden und Dank der raffinierten Licht- und Bühnentechnik die Illusion einer Unterwasserwelt mystisch schimmerte, wird die kleine Familie von den abklingenden Wellen an einen rettenden Strand gespült. Mit einem farbenfrohen Trommelfeuerwerk voll rhythmischer Exotik beginnt das Dschungelabenteuer um den kleinen Knirps, der von Gorillas großgezogen wird. Marlene Martens als Kala sang „Dir gehört mein Herz“ mit warmherzigem Timbre und tief empfundener Aufrichtigkeit. Mit ihrer zart aufknospenden Stimme schien sie nicht nur das Bündel vor sich, sondern gleich den gesamten Saal zu umarmen, ohne dabei umgarnen zu wollen. Fabelhaft, denn diese unverwüstliche Ballade kann schnell in Kitsch kippen. Da war die Messlatte bereits zum Auftakt des ersten Aktes in schwindelerregenden Höhen platziert worden.
Der Besuch des Disney-Musicals Tarzan war der gemeinsame Abschluss für den Abiturjahrgang Musik des Beruflichen Gymnasiums Bretten. Eine Woche vor der letzten Prüfung durften die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihrem Musiklehrer Bernd Neuschl in Stuttgart in zwei Welten eintauchen. Mensch trifft Tier. Oder umgekehrt. Mit ganz viel Herz. Die Schülerinnen und Schüler waren von der Show durchweg begeistert und vom Finale sehr berührt. Die Flugakrobatik der Affenbande über den Köpfen der Zuschauer ist schlicht atemberaubend. Das Ensemble schwebt, fliegt und flitzt schwerelos durch die Lüfte und das mit einer Eleganz und Leichtigkeit, die den technischen Aufwand hinter und über den Kulissen völlig vergessen macht.
Ja, das war kein Affentheater, sondern ganz große Unterhaltungskunst, wie hier scheinbar lässig geschwungen und gesungen wurde. Der sensationell agierende Kinderdarsteller Felix agierte stimmlich mit heiterer Inbrunst. Räumlichen Höhen erklimmte er dabei griffsicher, den finalen Gipfelton bei „Du brauchst einen Freund“ gestaltete er sehr mutig. Elindo Avastia lieferte als Terk eine famose Glanzleistung ab. Der Scat-Song „Krach im Lager“ entpuppte sich zu Beginn des zweiten Aktes für ihn und seine Affenbande als pointierte Paradenummer. Dabei hat Avastia auch ein untrügliches Gespür für präzis platziertes Lokalkolorit. Man darf gespannt sein, wie die schwäbischen Insider „Heilig’s Blechle“ und „S’Äffle isch heut net dahoim“ für die Nordlichter in Hamburg adaptiert werden.
Hannah Leser als wissbegierige Professorentochter Jane gab sich gleichsam abenteuerlustig und selbstbewusst und bewahrte ihrer Rolle eine kindliche Neugier bei, die nie ins Naive schlitterte. Gesanglich harmonierte sie mit Kasper Nilsson höchst erfreulich. Selbstredend, aber nicht selbstverständlich, dass Nilsson als Tarzan nicht nur stimmlich eine überragende Figur machte. Unvorstellbar, wieviel ganzheitliches Training in dieser Rolle steckt. Matthias Otte als Sippen-Führer Kerchak teilte indes dasselbe Schicksal wie Kassandra aus der griechischen Mythologie. Niemand glaubte seiner Prophezeiung, dass der Kontakt zu Menschen tödlich enden wird. Als Silberrücken verfügt Otte über eine beeindruckende Bühnenpräsenz. Luciano Mercoli mimte den Bösewicht Clayton selbst in Kampfszenen mit verblüffendem Charm und vitaler Beweglichkeit.
Das Orchester unter der cleveren Leitung von Boris Ritter musizierte vor allem die pfiffigen Pop-Hits von Phil Collins mit hörbarer Spielfreude. Der Sound entfaltete wie das bunte Bühnenbild eine mitreißende Magie. Diese berührte zwar vom ersten Takt an, an manchen Stellen hatte sie ob der reduzierten Besetzung und durch die Kompensation durch künstliche Klänge ein gewisses Geschmäckle. Bleibt zu hoffen, dass Stage Entertainment künftig wieder wesentlich mehr Musikerinnen und Musiker in die Orchestergräben pflanzt. Live ist live. Und: K.I. wird keine Kultur ersetzen können. Gefühlt verfügt der zweite Akt hier und da über dramaturgische Längen. Balladen und Affen drücken sich da die Lianen in die Hand. Es ist der Verdienst von Boris Ritter und seinen Jungs, wenn solch ein Balladenballast eben nicht belanglos abgespult wird, sondern jeder Song über fein ausgestaltete Nuancen verfügt, die in unserer schnelllebigen Zeit entschleunigend sein können. Und so blühte das musikalische Geschehen fruchtbar Richtung Finale auf. Grandioser Höhepunkt: Tarzan und seine Jane fliegen von oben durch den Saal auf die Bühne. Die Reprise im Tutti von „Zwei Welten“ ging zu Herzen. Der abschließende Applaus war mindestens genauso tosend, wie das Gewitter vom Anfang und kam dabei gänzlich ohne Subwoofer aus.