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Eingangsklasse Musik besucht „Tanz der Vampire“

Es groovt gewaltig in der Gruft

Sehnsuchtsvoll singen Sarah (Kristin Backes) und Alfred (Vincent Van Gorp) auf der Bühne von der Freiheit da draußen, nichtsahnend welch dunkel drohendes Grauen mit dem grässlichen Grafen Krolock auf sie hereinbrechen wird. Krolock schreitet währenddessen gleichsam würdevoll wie scheinbar schwebend durch die Zuschauerreihen zur Bühne und sorgt allein schon mit seinem schweigsamen Erscheinen für schaudernde Gänsehaut.

Zum Abschluss der Unterrichtseinheit Musical besuchte die Eingangsklasse Musik des Beruflichen Gymnasiums gemeinsam mit ihrem Musiklehrer Bernd Neuschl die Stuttgarter Stage-Inszenierung von „Tanz der Vampire“. Der Abend entpuppte sich als ein bunt bebildertes, in krassen Klangkontrasten kunstvoll abschattiertes Kaleidoskop an großen Gefühlen, welches die Besucher vom ersten faszinierenden Takt an fesselte. Die wuchtigen, geradezu heroischen Klänge der ergreifenden Ouvertüre drückten die überwältigten Zuhörer noch in die Sitze, da hatte das Ensemble mit dem rockigen Rhythm-Song „Knoblauch“ den ersten, viel beklatschten Ohrwurm des Abends in die Gehörgänge gejagt.

Respekt. Die künstlerische Leistung leuchtete den gesamten Abend über ein überwältigend breites Spektrum an interpretatorischer Gestaltungskraft aus. Es groovt gewaltig in der Gruft, pardon: Im Orchestergraben. Dabei zeigen vor allem der musikalische Leiter Boris Ritter und sein hervorragend aufspielendes Palladium Orchester, dass sie in vielen Stilen Heimrecht haben. Alles, was da auf den Notenpulten aufgeblättert wird, hat ordentlich Biss: Ob clevere Klezmer-Zitate, rockig-fetzige Beats im bebenden Tutti oder ergreifende Balladen.  Der Sound ist stimmig ausgepegelt, Horn und Oboe veredeln gar mit kammermusikalischer Akkuratesse im Ansatz ihre prominent platzierten Einsätze ohne Patzer. Aus der mittlerweile 25 Jahre alten Partitur weht einem kein mystischen Modergeruch entgegen. Im Gegenteil: Da wird mit Feuereifer musiziert, als sei es nicht die zigtausendste Aufführung, sondern Dernière. Keine Routine, sondern flammende Hingabe für die Musik und die Künstler auf der Bühne. Ritter taktiert nicht nur, er hat ein untrügliches Gespür für Ruhe- und Höhepunkte und lässt so im Spukschloss mehr als einmal in Sachen gebündelter Klangdichte die Sonne musikalisch aufgehen. Das elanvolle Ensemble auf der Bühne agiert in der Knoblauch-Szene stimmlich albern-ausgelassen á la Muppet-Show (das ist als Kompliment gemeint), unheimlich verklärt die „Totale Finsternis“ beendend, „Gott ist tot“ und „Carpe Noctem“ mit weihevoll-beseelten Timbres sakral veredelnd.

Jessie Vos als Professor Abronsius verblüffte bei „Wahrheit“ mit animierender Akkuratesse und allerlei Zungenakrobatik die Zuhörer ob seines äußerst flotten Gesangs. Kein Tempolimit im Orchestergraben. Berechtigter Szenenbeifall bei dieser herrlich aufgepuderten Opera-Buffa-Parodie. Mathias Edenborn als Graf von Krolock hat dagegen ein schweres Erbe. An den 2001 verstorbenen Ur-Grafen Steve Barton kommen wohl nur die wenigsten in Sachen Stimme und Ausdruck heran. Nun will Edenborn auch kein plumpes Abziehbild seiner Vorgänger sein. Er verfügt selbst als Vampir über viel vitales Charisma in den Stimmbändern. Was er da technisch auf den Punkt abrufen kann, ist unglaublich vielfältig und dem Zwiespalt zwischen edler Bosheit und seelischer Einsamkeit in jedem Takt dienlich. Im Duett mit Kristin Backes wurde der Unterschied zwischen Sehnsucht (Sarah) und Gier (Krolock) kunstvoll definiert.

Nicht nur die hier höfisch-eleganten, da fulminant choreografierten Tanzszenen faszinierten, auch die unzähligen Zahnräder von raffiniertem Bühnenbild und verblüffender Lichttechnik im Hintergrund griffen stimmig ineinander und sorgten mit der herausragenden Gesamtleistung aller Beteiligten für ein schlichtweg überzeugendes Gesamtbild, das die Zuschauer am Ende mit stehenden Ovationen feierten. Ein Schüler brachte es auf den Punkt: „Ich war noch nie in einem Musical gewesen und bin ohne Erwartungen hergekommen. Ich war vom ersten Moment an völlig baff.  Das ist nur noch krass, was da alles gleichzeitig live passiert. Der Hammer.“